ePrivacy and GPDR Cookie Consent management by TermsFeed Privacy Generator
Zurück zur Übersicht
 

NEW ORLEANS - 'THE BIG EASY'

VON GOTTFRIED BAUER

 
Starte Diaschau
New Orleans, French Quarter (C) Harald Maikisch Saint Louis Kathedrale (C) travel view, stock.adobe.com
 

„New Orleans. Eine Kurtisane, nicht alt, doch auch nicht länger jung; sie vermeidet den Sonnenschein, dass der einstige Ruf ihrer Schönheit erhalten bleibe. Die Spiegel in ihrem Hause sind trübe geworden und die Rahmen wurden matt; alles in ihrem Hause hat Mattglanz und ist schön vor Alter. Anmutig lehnt sie sich zurück auf ihre Chaiselongue, von verschossenem Brokat, ein feiner Duft nach Räucherwerk ist um sie, und der Faltenwurf ihrer Umhänge sehr korrekt. Sie lebt, umgeben von der Atmosphäre einer vergangenen graziöseren Zeit. Und die sie vorlässt, sind gering an Zahl, und sie kommen zu ihr durch ein ewiges Dämmerlicht. Sie selbst sagt nicht viel; dennoch scheint sie es zu sein, die die Unterhaltung beherrscht; deren Ton ist gedämpft, doch nicht dumpf, geistreich, aber nicht effekthascherisch. Und Diejenigen, die nicht zu den Auserwählten zählen, müssen ewig vergeblich draußen vor ihrem Portale stehen. New Orleans ... eine Kurtisane, deren Reiz der Gereifte mächtig verspürt, deren Zauber der Junge unfehlbar erliegt. Und wer immer ihr treulos wird, und die Jungfrau sucht, mit dem Haar weder recht Braun noch recht Gold, und der bleichen und eisigen Brust, an der noch kein Liebender dahinstarb, kehrt zurück, wenn sie lächelt über’m matten Flügelschlag ihres Fächers ... New Orleans“

William Faulkner, New Orleans. Skizzen und Erzählungen

‚The big easy’ wird sie auch genannt, wegen entspannten Lebensstils, der diese Stadt so wohltuend von anderen US-Metropolen abhebt. Man kann dies vielleicht auf den besonderen Menschenschlag zurückführen, der hier lebt. Eine bunt gemischte Gesellschaft aus den Nachfahren von französischen, afro-amerikanischen und englischen Bevölkerungsgruppen.

Die wichtigste und zugleich einzigartige Gruppe davon sind die französisch-stämmigen Cajuns. Sie emigrierten im 17. Jhdt. vor allem in das heute zu Kanada gehörende Neuschottland, damals noch im Besitz der französischen Krone. 1604 hatten die Franzosen dort die Provinz La Cadie, später in L’Acadie umgewandelt, gegründet. Seine Bewohner waren die Acadiens, woraus sich später die amerikanische Form ‚Cajuns’ entwickelte. Als Frankreich 1713 Kanada den Engländern überlassen musste, forderten diese von den Acadiens den Eid auf die englische Fahne sowie die Übernahme der englischen Sprache und des protestantischen Glaubens. Dies stieß auf breite Ablehnung und die Akadier mussten ihre Heimat verlassen. Ein beeindruckendes Zeugnis über das Leiden des Volkes legt Henry Wadsworth Longfellow in seinem Gedicht Evangeline ab. Er schildert eine akadische Liebe während der Machtübergabe an die Engländer. Ihre Hochzeit wird durch die Deportation vereitelt, bei der beide getrennt werden. Evangéline sucht ihren Verlobten in ganz Nordmarika. Die beiden verpassen einander nur knapp in Louisiana. Evangéline - inzwischen Ordensschwester - trifft ihren sterbenden Geliebten schließlich in einem Spital für Pestkranke in Philadelphia. Viele der ausgesiedelten Franzosen kamen also ins Mississippi-Delta, war doch Louisiana in jenen Jahren noch französisch – erst unter Präsident Jefferson wurde 1803 durch den Kauf des großen Gebiets das Staatsgebiet der damaligen USA durch einen Federstrich verdoppelt. Bis 1785 zählte man 3500 Einwanderer, die sich aus Angst vor Verfolgung hauptsächlich in unwegsamen Gebieten weit im Süden niederließen, im Hinterland von New Orleans, dem heutigen Cajun Country mitten in den Bayous, den unzähligen kleinen Flussläufen im Mississippi Delta. Bis 1920 lebten die Cajuns recht abgeschieden und konnten ihrem katholischen Glauben treu bleiben – noch heute gibt es in Louisiana eine bedeutende katholische Minderheit, andererseits gelten die Cajuns teilweise immer noch als Hinterwäldler. Da 1916 ihre Sprache – ein altertümliches Französisch – verboten worden war, sprechen heute nur noch ca. 300.000 Louisianer Cajun-Französisch, obwohl man von etwa einer Million Cajuns ausgeht. Der fortschreitenden Amerikanisierung wurde 1955 Einhalt geboten, heute werden auch alte Bräuche der Cajuns wieder kultiviert und zum Leben erweckt. Besonderen Einfluss hat im Süden Louisianas – und hier natürlich speziell in der größten Stadt New Orleans – die Cajun Küche. Tabasco ist vielleicht das bekannteste Produkt dieser speziellen Mischung und das viel besungene Jambalaya das wichtigste Gericht. In kaum einer zweiten amerikanischen Stadt findet man so viele erstklassige Restaurants wie im French Quarter, der Altstadt von New Orleans.

Heute ist jedoch der afro-amerikanische Einfluss in der Stadt kulturell vielleicht der entscheidendste. Nicht umsonst nahm der Jazz, später in den Clubs von Chicago und New York zu Weltruhm gekommen, in den Schuppen und Lokalen der Bourbon Street seinen Anfang. Louis Armstrong ist der berühmteste Sohn der Stadt, obwohl er schon früh nach Chicago ging. Unweit des French Quarter hat man ihm deshalb auch ein Denkmal gesetzt, mit seiner berühmten Trompete in der Hand. 30 % der Bevölkerung von New Orleans sind heute Afro-Amerikaner, sie prägen das Stadtbild stärker als in den meisten anderen US-Großstädten. Die Töchter und Söhne der Sklaven hatten bis in jüngste Zeit unter einer rassistischen Politik zu leiden, die erst unter den Präsidenten Kennedy und Johnson in den 1960ern – und nicht zuletzt durch den gewaltfreien Kampf des Friedennobelpreisträger Martin Luther King – offiziell abgeschafft wurde. Doch noch heute befindet sich die schwarze Bevölkerung auf der untersten Stufe der amerikanischen Gesellschaft und sieht sich mit schweren sozialen Problemen konfrontiert.

Das wichtigste Festival in New Orleans geht auf die Franzosen zurück: Mardi Gras, der fette Dienstag. Die Stadt am Mississippi ist das bedeutendste Faschings-Zentrum des nordamerikanischen Kontinents und die Wochen vor den ‚tollen Tagen’ mehren sich die Paraden der verschiedenen ‚Krewes’ (so die Bezeichnung für die Karnevalsvereine). Die Farben gelb, grün und violett bestimmen das Stadtbild und unzählige billige Halsketten (‚beads’) werden in die Menge geworfen. Eine für die USA völlig untypische Ausgelassenheit lässt das Leben im French Quarter brodeln und führt zu einem Besucherstrom, wie man ihn sonst nur aus Las Vegas oder Orlando kennt. Seit den 1820er Jahren wurde es dem privaten Vergnügen der französisch-stämmigen Bürger allmählich ein öffentliches Fest, 1837 wurde der erste organisierte Umzug veranstaltet.

 
nach oben